Eine kleine feine Ausstellung zu Anfang dieses Jahres hat mir Lust gemacht, mich wieder mehr mit Kunst zu beschäftigen. Genauer: mit Künstlern am Chiemsee. Im letzten Jahrtausend habe ich meine Magisterarbeit in Kunstgeschichte über die Künstlerkolonie auf der Fraueninsel geschrieben – meine beruflichen Wege haben mich seitdem ein wenig von der Kunstgeschichte weg geführt.
Im Heimatmuseum Prien waren jetzt sechzig Werke von Katharina Klampfleuthner-Kirchner zu sehen, die Künstlerin hätte am 7. Januar 2015 ihren 90. Geburtstag gefeiert. Ich habe sie noch persönlich gekannt, die Kirchner-Kat, wie sie in der Region genannt wurde. Immer braun gebrannt, feine Falten im Gesicht und kleine, lebhafte, dunkle Augen – sie sah aus wie eine eingeborene Chiemseerin. Und das war sie auch, durch und durch: 1925 wurde sie in die Familie Klampfleuthner geboren, das sind die Inseltöpfer auf Frauenchiemsee seit dem Jahr 1609 (übrigens auch enthalten in meinem Buch „111 Orte im Chiemgau, die man gesehen haben muss“!). Auf der Insel besuchte sie die Schule der Benediktinerschwestern im Kloster. Bei ihrem Vater in der Werkstatt auf der Insel absolvierte sie dann erst einmal eine Töpferlehre. Danach aber wollte sie sich fortbilden – die künstlerische Keramik wurde ihr Schaffensgebiet. An der Kunstakademie in München wurde sie schließlich Meisterschülerin von Professor Heinrich Kirchner, dessen monumentale Bronzeplastiken uns Chiemgauer jeden Tag erfreuen, stehen sie doch an vielen öffentlichen Plätzen in der Region.
Die Meisterschülerin wurde zunächst die Geliebte, 1976 dann die Ehefrau des Professors. Sie zieht zu ihrem Mann nach Pavolding. In dem kleinen Bauerndorf unweit des Chiemsees hat Kirchner sich nach seiner Emeritierung einen alten Fischerhof ausgebaut. Hier entstehen auch viele der Arbeiten von Katharina Klampfleuthner-Kirchner: hauptsächlich frei geformte Plastiken, große und kleine, und viele Schalen und Schüsseln. Von der Gebrauchskeramik kommt sie her, doch ihre weiten Schalen dienen ihr vor allem als Malgründe. Die großen Flächen glasiert sie und verziert sie mit traditionellen, klassischen wie neuen Motiven: stilisierte Tiermotive wie Taube, Gans, Pferd, daneben aber häufig Frauenfiguren, Frauenkörper – unbezeichnet oder eindeutig definiert: „Daphne“ steht neben einer grob skizzierten Silhouette. Daphne, die sich in der griechischen Sage aus Liebe in einen Lorbeerbaum verwandeln ließ.
Zeit ihres Lebens stand Katharina Klampfleuthner-Kirchner im Schatten ihres berühmten Mannes. So erging es vielen Frauen, besonders auch Künstlerinnen. Der berühmte Mann schart die Bewunderer um sich und versteht sich zu inszenieren, Künstlerfreunde gehen in dem romantischen alten Hof ein und aus, Feste werden gefeiert – und die Frau sorgt für ihn, das Haus und das Büffet. Katharina Klampfleuthner-Kirchner arbeitet dennoch unermüdlich im Atelier. 1984 wird sie Witwe – ihr Mann war 23 Jahre älter als sie – und nach seinem Tod entstehen noch viele ihrer Werke, die jetzt auch in Prien zu sehen sind. Sie kreiste um das Thema Frau, Weiblichkeit. Den runden, weichen Frauenkörper bildete sie in großen Plastiken ab, teils aus rotem Ton, den sie unglasiert lässt, sodass noch die Werkspuren erkennbar sind, die rauhe Oberfläche, die wirkt wie Haut. Andere Plastiken glasiert und bemalt sie expressiv, man würde gern wissen, wohin sich ihre Kunst entwickelt hätte ohne den übermächtigen Professor an ihrer Seite.
Die Kirchner-Kat stirbt 2007 mit 82 Jahren. Nach dem Tod kehrt sie wieder auf ihre geliebte Fraueninsel zurück. Sie ist auf dem Inselfriedhof begraben, wo schon ihr Ehemann ruht. In einer wunderschönen Ecke unter einem weit ausladenden Baum, gleich vorne links bei der alten steinernen Totenleuchte, da ist das Grab. Ab und zu besuche ich sie, wenn ich auf der Insel bin. Ein schöner Ruheplatz ist das.