Das Kloster Frauenwörth im Chiemsee besitzt eine der größten und am besten erhaltenen Krippen aus der Barockzeit. Am 6. Januar, dem Dreikönigstag, machen wir uns auf die Reise übers „Bayerische Meer“ auf die Insel zum Kripperlschaun – früher ein Muss, nicht nur für Familien mit Kindern. Die Kripperl waren für die Leute nicht nur Andachtsbilder, sondern gleichzeitig anschauliche Bilder zum Studium des biblischen Geschehens und eine Art Puppenstuben zur Unterhaltung.
Schwester Katharina ist die „Krippenschwester“, sie weiß zu jeder einzelnen Figur spannende Geschichten zu erzählen und nicht nur das: Sie liebt die Krippe leidenschaftlich und ist auch fürs Aufstellen der Figuren zuständig. Auf Wunsch veranstaltet sie Führungen zur Krippe, und wir haben das Glück, sie bei unserem Besuch gerade im Münster vor der Krippe anzutreffen.


Der erste der drei heiligen Könige trägt die Züge des Bayernherzogs Tassilo, des Gründers von Kloster Frauenwörth.
Die Krippe ist alljährlich ab Heiligabend in der Maria-Mitleid-Kapelle zu sehen, einer Seitenkapelle im Münster, unweit der Kapelle der seligen Irmengard gelegen. Zu Beginn erzählt Schwester Katharina von der Entstehung der Krippe: Im Jahr 1627, also vor fast vierhundert Jahren, ließ die damalige Äbtissin des Frauenklosters, Magdalena Haidenbucher, „eine schöne Weihnachthitten und Berg“ aufstellen.
Aber nicht nur die frommen Schwestern, auch „das gemain Volk“ durfte die prächtige Krippe damals in der Apostelkapelle des Münsters von Frauenchiemsee anschauen und zeigte, wie die Äbtissin vermerkt, „große Andacht“.
Mitten im Dreißigjährigen Krieg, der Hungersnot und Krankheiten nach Bayern brachte, wollte die Klosterfrau den Menschen vielleicht Trost und Hoffnung geben, indem sie ihnen ein kleines Weihnachtstheater im Münster präsentierte. Die 50 Zentimeter großen Krippenfiguren waren damals so aufgestellt, dass man zwischen ihnen herumgehen konnte. Heute ist das natürlich nicht mehr möglich, wir betrachten die Krippe durchs Gitter.
Zum ältesten Bestand gehören das Jesuskind, Maria und Joseph, drei Hirten, vier Propheten und drei Engel. Die Figuren sind beweglich, damit sie das Theatrum sacrum, das heilige Schauspiel, möglichst lebensecht darstellen können. Die Körper aus Lindenholz besitzen alle ein Schulter-, Ellbogen-, Hand-, Hüft- und Kniegelenk. Die originalen Stoffe, verziert mit kostbaren Klosterarbeiten, wurden von den damaligen Nonnen selbst gefertigt. Folklore hatte damals noch keinen Platz in der Krippe – Maria ist wie eine Himmelskönigin in feine Seide gekleidet und Joseph trägt Samt und edlen Brokat.
Bis um 1700 wurde die Zahl der Figuren laufend vermehrt, und bis heute sind von diesen Figuren so viele erhalten, dass drei große Szenen aufgestellt werden können: als erste natürlich die Geburt Christi mit Engeln, Hirten und Herden, dann zu Dreikönig die Anbetung des Kindes durch die Sterndeuter und als letzte, leider nur alle drei Jahre, die Hochzeit zu Kana. Dieses Jahr ist es endlich wieder so weit! Bis zum 10. Januar noch sind noch die heiligen drei Könige zu sehen, von 12. Januar bis voraussichtlich 31. dann die Hochzeit zu Kana (darüber berichte ich übrigens auch im aktuellen Altbayerischen Festtags- und Brauchtumskalender 2016).

Schwester Katharina sind offenbar nicht nur die drei Könige ans Herz gewachsen – sie liebt eine andere Dreiergruppe aus dem Morgenland: die Königin von Saba mit ihrer Zofe und König Salomo. Dabei schreitet die Königin an der Spitze der Gruppe in Richtung auf das Jesuskind zu, vor Erstaunen steht ihr der Mund offen, wie in der Bibel beschrieben. Hinter ihr die Zofe und erst ganz am Schluss König Salomo – für seine Diplomatie bekannt, scheint er sich auch der Königin von Saba gefügt und ihr den Vortritt gelassen zu haben. Die Königin ist eine biblische Figur, ob sie wirklich gelebt hat, ist umstritten. Die meisten Darstellungen zeigen sie aber unterhalb des Königs stehen, der sie empfängt – sie hat von Salomos Weisheit gehört und ist deshalb an seinen Hof gereist. Schwester Katharina gibt der Königin die Hauptrolle, in einem Frauenkloster steht ihr die schließlich auch zu.

Ein Rundgang durchs Münster führt uns noch zur Schwarzen Madonna am Seitenaltar. Bis heute ist das Rätsel um die schwarze Hautfarbe der Marienstatuen nicht geklärt, die in ganz Europa hoch verehrt werden – in Bayern allen voran das Gnadenbild von Altötting.


Mit dem Schiff fahren wir nach Gstadt zurück – und noch ganz beseelt von den vielen Wunderszenen in der Krippe beobachten die Fahrgäste fasziniert, wie sich über dem See plötzlich der Himmel auftut…Dabei ist es nur ein Wolkenloch.

In Gstadt noch ein kleiner Abstecher in die Dorfkirche hoch über dem See. Hier hat vor einem halben Jahrhundert der Mesner auf dem Dachboden ebenfalls eine Krippe gefunden. Klein sind diese Figuren, vielleicht 15 Zentimeter hoch, und es ist nur eine einzige Szene erhalten: die der Hochzeit von Kana. Doch die Figürchen tragen die originale Kleidung! Inzwischen wurde die Krippe restauriert und in der Kirche aufgestellt. Frauenwörther Benediktinernonnen, die aus adligen Familien stammten, haben die Figuren vermutlich um 1750 angefertigt und ganz besonders kunstvoll gekleidet – nach der höfischen Mode, die am kurfürstlichen Hof in München zu der Zeit getragen wurde. Kurfürst und Gefolge sitzen um eine reich gedeckte Tafel, die – sicher im Unterschied zu den Tafeln der Münchner Residenz – mit Geschirr vom Fraueninsler Hafner Klampfleuthner ausgestattet ist.

In den nächsten beiden Wochen werden wir der Fraueninsel wieder einen Besuch abstatten. Denn ab 12. Januar gibt es die Hochzeit von Kana auch in der großen Krippe im Münster zu sehen – man darf gespannt sein, wie Schwester Katharina die riesige Hochzeitsgesellschaft arrangiert hat. „Die Hochzeitstorte für die Tafel“, hat sie uns am Dreikönigstag verraten, „wird in der Klosterküche schon gebacken“.
(c) Dorothea Steinbacher